Donnerstag, 10. Februar 2011
Ein guter Anfang?
Ich habe lange überlegt, ob ich wieder zu schreiben anfangen soll. Früher hab ich viel geschrieben ... sehr viel sogar - Tagebuch, Gedichte, Kurzgeschichten, all das Zeug eben, das in meinem Kopf so rumspukte. Es hat mir geholfen, meinen Kopf frei zu kriegen, meine Gedanken und Gefühle zu ordnen.

Irgendwann, ich weiß nicht mehr genau wann - muss so Anfang 20 gewesen sein, habe ich aufgehört zu schreiben. Damals sind viele Dinge passiert, die ich nicht ordnen konnte und wollte. Es weh tat und es war sehr viel einfacher, sie einfach verschüttet gehen zu lassen *traurig lächel*. Die Konfrontation mit diesen Geschehnissen war für mich ... naja, was soll ich sagen, die meisten kennen das sicher. Aus den Augen, aus dem Sinn. Also hab ich aufgehört, zu schreiben.

Viele Jahre war das ok so. Es ging mir gut ... dachte ich zumindest. Doch seit etwa 1 Jahr ... nein, ich will ehrlich sein ... seit etwa 3,5 Jahren merke ich, wie sich nach und nach und nach all das Verschüttete langsam aber beständig nach oben gräbt. Wie ein Zombi *traurig lach*. Es ist so vieles in den letzten Jahren passiert. Für einige von euch da draußen wird es nichts sein, was mir passiert ist, weil sie weit schlimmers erlebt, durchlebt und vorallem überlebt haben. Ich habe mir früher oft gedacht, dass ich mich zusammenreißen soll, weil es ja schließlich Menschen gibt, denen es weit schlimmer ergangen ist oder immer noch ergeht wie mir, aber diese Menschen leben nicht in meiner Haut, nicht in meinem Leben und fühlen nicht meine Trauer, Freude, Glück oder was auch immer ich sonst fühle.

Ich will mich nicht mehr hinter diesen Menschen verstecken.
Ja, ich habe soweit alles, was man zum Leben braucht und auch zum Glücklichsein - einen Job, eine Familie, die für mich da ist und einen tollen Mann an meiner Seite, der mich liebt, mit dem ich durchs Leben gehen darf und der für mich da ist, so wie ich für ihn da bin. Eigentlich alles schön. Nur wenn einen die Vergangenheit einholt, dann kann alles noch so schön und toll sein, es kriegt so ziemlich alles Risse und graue Schatten.

Vielleicht kennen das einige von euch auch. Mein Mann ist das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte. Er hat mir auf gewisse Art und Weise sogar das Leben gerettet.

Vor nicht ganz 3 Jahren haben wir uns kennengelernt. Das war in einem Online-RPG. Wir haben über wochen hinweg über belangloses gechattet ... wie der Tag so war und was es so neues gibt. Wir haben uns einfach nur so - ohne Hintergedanken - unterhalten und kennengelernt. Keinem von uns beiden stand damals der Sinn nach Beziehung oder Partnerschaft. Er hatte eine schmerzliche Trennung hinter sich und ich .... naja *lächel*, ich war, sagen wir mal so, beziehungsgeschädigt. Außerdem war er all das, was ich nie haben wollte. Er ist jünger als ich, er hat ein Kind, ist blond und graublau-äugig. Das waren nicht meine Ideale von einem Mann, mit dem ich zusammensein wollte - dachte ich immer ^^. Also wurden wir Freunde :).

Dann geschah etwas, was mein Leben komplett aus der Bahn geschmissen hat.
Kenn ihr das: ihr trefft einen Menschen. Ihr fühlt und "wisst", dass dieser Mensch euch nicht gut tut, dass dieser Mensch nicht der Richtige für euch ist, dass er euch kaputt machen könnte, wenn ihr es zulasst, doch trotzdem wollt ihr diesen Menschen in eurem Leben - unbedingt! Tja, ich traf damals auf so einen Menschen - mal wieder (mein Leben bis dahin war voll von solchen Männern. Männern, die mir nicht gut taten, die mich auf jede Art und Weise kaputt gemacht haben).
Naja, auf jeden Fall trat dieser Mann damals in mein Leben, bzw ich hab zugelassen, dass er in mein Leben tritt ... und ich hab auch dafür gesorgt, dass er nach nicht allzu langer Zeit mein Leben wieder verlässt. Ich erkannte, dass er nicht der Mann war, den ich brauchte, den ich liebte. Nein, Liebe war es nicht. Ich musste ihn haben, ihn erobern. Als ich erkannte, dass ich wieder alte Verhaltensmuster an den Tag legte und ich mich selbst wieder mal zu seinen Gunsten veränderte, beendet ich das Ganze und schickte ihn aus meinem Leben. Was ich damals nicht wusste, als ich ihn aus meinem Leben geschmissen hab - ich war schwanger von diesem Mann.
Die Diagnose beim Arzt traf mich wie ein Schlag ins Genick. Schwanger ... 11. Woche ... ein Kind ... in meinem Bauch ... von einem Mann, den ich nicht mehr in meinem Leben haben wollte, geschweige denn liebte. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Abtreiben kam nicht in Frage! Das kleine Wesen in meinem Bauch konnte nichts dafür, dass es kein Wunschkind mit einem "Traummann" war. Ich brauchte Rat, also ging ich zu meiner besten Freundin. Sie war damals (und ist es heute noch) der Fels in meiner Brandung. Sie lachte und meinte "Wir kriegen ein Baby!". Sie gab mir den Halt, den ich brauchte, um es meinen Eltern zu sagen (Versteht mich jetzt bitte nicht falsch. Ich bin eine erwachsene - damals 32jährige - Frau, die ihre Entscheidungen selbst trifft und auch zu ihnen steht, aber bei sowas ... naja, ohne Rückhalt ist es mehr als schwer und meine Familie ist eins der wichtigsten Dinge in meinem Leben.).
Meine Eltern überraschten mich komplett. Sie meinten nur "Wir werden Großeltern! Das Zwergal kriegen wir auch groß. Wir sind für dich da.".
Auch ich hatte mich binnen kurzer Zeit für das kleine Wesen entschieden. Ich wollte Mutter sein - etwas, das ich mir bis dahin nicht hatte vorstellen können. Mit dem Vater des Kleinen wollte ich jedoch nicht mehr zusammen sein, auch wenn ich so fair war und ihm sagte, dass ich sein Kind im Bauch hatte.

Etwas mehr als 3 Wochen später erfuhr ich dann, dass das kleine Wesen nicht bei mir bleiben hatte wollen. Der Arzt sagte mir, dass sein kleines Herz nicht mehr schlagen würde und dass etwas nicht gestimmt hätte. Er sagte mir, wie leid es ihm täte, aber er müsse mich noch heute ins Krankenhaus schicken.
Ich war am Boden zerstört. Ich konnte nicht ins Krankenhaus - nein, ich wollte nicht! Ich wollte mein Baby behalten! Doch ich wusste, dass das nicht ging. So bat ich meinen Arzt um 2 Tage. Ich wollte mich verabschieden, ich wollte loslassen. Ich rief meine Mam an und bat sie, mich 2 Tage später zu begleiten. Bis dahin wollte ich meine Ruhe. Ich schaltete das Telefon ab, schloss mich zu hause ein. Vergrub mich in meinem Bett. Ich wollte niemanden sehen oder hören.
2 Tage später ... naja, ihr könnt euch vielleicht vorstellen, das ich heute den 08.08. nicht grad als schönen Tag in Erinnerung habe.

Als alles vorbei war, zog ich mich wieder zurück. Ich buddelte mich wieder ein - bis eine sehr gute Freundin aus Hessen 3 Tage nach dem Krankenhaus bei mir anrief und sagte, dass sie das nicht zulassen würde. Ich solle mir fürs Wochenende nichts vornehmen, denn ich würde Besuch bekommen. Sie wüsste, wie es mir jetzt gehen würde und dass sie das schon selbst erlebt hat.
Und dieser Besuch waren sie, ihr Mann und ihre 2 Kinder. Ein paar Tage später waren sie da und meine Freundin machte den Vorschlag, wir sollten grillen und ein paar Leute einladen, die wir gemeinsam aus dem Online-RPG kannten. Ich sollte auf andere Gedanken und aus meinem Loch kommen. Ihr zu Liebe sagte ich ja dazu, fühlte mich jedoch schrecklich.
Eigentlich wollte ich allein sein, ich wollte in mein schwarzes Loch zurück und weinen. Ich wollte zu meinem kleinen Engelchen ... ich wollte nicht mehr hier sein. Ich wollte nicht mehr hier sein. Innerlich hatte ich mit meinem Leben abgeschlossen. Ich dachte, ich würde einen Weg finden, nicht mehr hier sein zu müssen, doch nichts davon hab ich zu ihr gesagt.

Am Tag darauf lud ich die Leute für diesen Abend ein. Darunter auch den Mann, der alles war, was ich nie wollte und zu dem sich eine richtig gute Freundschaft entwickelt hatte.
Und an diesem Abend rettete er mir das Leben. Er war wie ein Engel und war von einem Moment auf den anderen genau DAS was ich immer brauchte. Irgendwie und irgendwann an diesem Abend sahen wir uns in die Augen und wie hat es Klaus Lage in seinem Lied so schön gesagt: Und es hat Zoom gemacht! Ich hätte nie gedacht, dass mir sowas passieren könnte - nein, ganz sicher nicht, das könnt ihr mir glauben. Wir konnten beide nicht begreifen, was da geschah.
Eigentlich hatte er die Nase voll von Frauen und eigentlich standen mir andere Sachen im Kopf, als eine Beziehung oder Männer. Aber irgendwer irgendwo hatte da andre Pläne für uns.

Als an diesem Abend alle anderen weg waren, meine Freundin mit ihrem Mann und den Kids im Bett war, haben wir zu reden angefangen und nicht mehr aufgehört bis die Sonne aufging. Als die Sonne aufging, fühlte ich mich, als würde etwas in mir wiederauferstehen - wie der Phönix aus der Asche. Wie gesagt, er war mein Engel - und das ist er heute noch.
Er nahm mich in den Arm, als ich ihm erzählte, was 8 Tage zuvor passiert war (waren das wirklich nur 8 Tage? Mir kam es vor als wären es Wochen und Monate gewesen) und er verstand es! Er tat nicht nur so, wie andere Männer es wahrscheinlich getan hätten, nein, er verstand es wirklich! Da war kein Mitleid, sondern reines Verstehen. Seit diesem Tag sind wir unzertrennlich. Jetzt versteht ihr vielleicht, warum ich sage, er hat mir das Leben gerettet.

Um nicht unterzugehen lenkte ich all meine Kraft darauf, wieder ins Leben zurückzugehen und übersah dabei leider, mir Zeit zu lassen. Zeit zum Trauern und zum Loslassen. Ich fing zu früh wieder an zu arbeiten. Ich vergrub die Gedanken an mein kleines Engelchen ganz tief in mir. Genauso wie die Gedanken an meinen verstorbenen Opa, den ich grad mal ein halbes Jahr vor meinem Baby verloren hatte.
Ich schob alle Gedanken an die beiden in ein tiefes Loch und schüttete es zu.

Ich dachte, es wäre das Beste so. Doch das scheint sich jetzt zu rächen.
Ich habe gute Tage und schlechte Tage - und so ein schlechter Tag scheint heute wieder zu sein.
Ich stehe auf und fühle mich, als hätte ich eine kleine Stimme im Ohr, die mir sagt, dass ich das Gute in meinem Leben nicht verdient hätte, weil ich mein Baby vergessen hätte.
Hab ich mein Baby vergessen? Hab ich mein Baby im Stich gelassen? An guten Tagen weiß ich, dass es nicht so ist ... aber an den schlechten Tagen ...

Dazu muss ich sagen, dass ich seit Anfang November letzten Jahres wegen einem Burnout-Syndrom und einer Lendenbandscheibenquetschung zu hause bin.
Den Burnout habe ich von meinem Job und davon, dass ich mir, nach dem ich meinen Opa und mein Baby verloren hab, nicht genug Zeit für mich genommen habe.
In meinen alten Job will ich nicht zurück. Ich will keine Versicherungen mehr verkaufen und ich will nicht mehr im Außendienst arbeiten. Ich will endlich wieder wissen, wann ich zu meinem Mann abends nachhause komm und ich will wieder feste Arbeitszeiten.
Wenn ich nur daran denke, meine Job dort wieder antreten zu müssen, wird mir ganz schlecht.
Ich versuche, solange ich noch zuhause bin, einen neuen Job zu finden.

Ich danke euch für eure Geduld. Ich hatte vergessen, wie gut es tut, sich etwas von der Seele zu schreiben. Auch wenn manches ziemlich wirr geschrieben ist ... mein Leben ist nicht so schrecklich. Nein, das ist es nicht, aber es gibt gewisse Schatten und einen davon kann und will ich daraus verbannen.

So long ... euer Frosch

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